Französische Schiffspost
Ein Beitrag von Rainer von Scharpen
Im 19. Jahrhundert ist die Elite des russischen Zarenreichs fasziniert von Frankreich, es herrscht eine regelrechte Frankophilie. Französische Luxusprodukte sind allenthalben gefragt. Geschäftstüchtige Franzosen verlassen ihre Heimat und versuchen ihr Glück in Russland, das bei der angestrebten Modernisierung gern von ihrem Wissen und Know-how profitiert. In den 1830er Jahren hält die Dampfschifffahrt Einzug auf den Weltmeeren und gibt der Schnelligkeit und Regelmäßigkeit des Handelsaustauschs einen bis dahin nicht bekannten Aufschwung.
Philippe Albrecht, ein Reeder aus Le Havre, der mit seinen Dampfschiffen im Verkehr nach Hamburg und Amsterdam Erfahrung gesammelt hat, wagt im Sommer 1838 das Abenteuer und schickt zwei Dampfer mit Passagieren, Handelswaren und Korrespondenzen von Le Havre nach St. Petersburg. Er ist allerdings nicht der einzige, konkurriert er doch mit weiteren Linien, die von London und Hull, Lübeck, Stettin und Stockholm aus ebenfalls die Ostsee befahren. Nach drei Jahren erfolgversprechender Versuchsfahrten und der Erteilung eines Privilegs Seiner Majestät des russischen Zaren für den Betrieb der Schifffahrtslinie gründet er Ende 1840 mit zahlreichen Aktionären die Gesellschaft Europa. Zwischen Mai und Oktober befahren von da an seine Dampfer Amsterdam und Tage die eisfreie Ostsee zweimal monatlich in beiden Richtungen. Dann wird Dünkirchen 1842-1843 zum ernsthaften Rivalen. Als die Stadt 1849 Eisenbahnanschluss erhält, verlegt Albrecht den Firmensitz von Le Havre dorthin.
Robert Abensur, seit 2002 Präsident der Académie de Philatélie, wertet digitalisierte Zeitungen des 19. Jahrhunderts sowie Quellenmaterial in den Archiven des Départements Seine-Maritime und des Außenministeriums aus, um die allgemeine Entwicklung der Dampfschifffahrt und in Sonderheit die Geschichte der Linie Europa nachzuzeichnen. Diese musste ihren Liniendienst Ende 1852 infolge unüberwindbarer wirtschaftlicher Probleme einstellen.
Das zweisprachige Heft wird bereichert durch zeitgenössische Presseausschnitte und Anzeigen, Fahrpläne und zahlreiche Belege. Sie machen es möglich, die geltenden Tarife der französischen, russischen und auch dänischen Schiffspost zu erstellen, da die Dampfer auf ihren Fahrten regelmäßig den Hafen von Kopenhagen anliefen. Sie sind im Anhang tabellarisch zusammengefasst. Dieser enthält des Weiteren als Faksimile den Auszug aus dem Gesetzblatt zur Schaffung der Gesellschaft L’Europe und den Bericht von Kapitän Doullé über die erste und die letzte Fahrt der Amsterdam im Jahr 1852.
Die bestens recherchierte Arbeit ist ein weiterer wertvoller Mosaikstein, der die seit vielen Jahren von der französischen Akademie für Philatelie herausgegeben postgeschichtlichen Publikationen sinnvoll ergänzt.
Robert Abensur. Poste maritime française. La société L’EUROPE, Le Havre–St. Pétersbourg 1840–1852. French Maritime Post. The Europe Company. Le Havre–St. Petersburg 1840–1852. [Französische Schiffspost. Die Schifffahrtsgesellschaft Europa, Le Havre–St. Petersburg 1840–1852]44 S., farbige Abb.